Rabe_rechts

Die Alten, die Jungen, die Frevler und die Zurückgewiesenen

Schreiender Rabe
Wir wurden alle betrogen.
– Askalor, Großhäuptling von Bron –
Schreiender Rabe

Einstmals, das bestreitet niemand, gehörte die Welt den Fayé. Sie waren ein feinsinniges, ein schönes und lichtes Volk, das große Kunstwerke schuf. O Junge Dame, man sagt, wer eines ihrer Lieder erlauschte, dessen Herz vergoss genug Tränen, um einen See zu füllen. Dann aber drehte sich das Rad des Schicksals weiter. Das den Menschen bestimmte Äon brach an und die Götter sandten ihre Boten, um den Fayé den Weg nach Osten, über das Meer, zu weisen. Das alte Volk baute eine große Flotte und stach in See.

Aber nicht alle schlossen sich an.

Einige Fayé weigerten sich und rebellierten gegen den Willen der Götter. Sie sahen die zauberhaften Städte und all den anderen Glanz, den ihr Volk geschaffen hatte. Sie fragten, ob dies alles denn nicht ihr Verdienst sei und mit welchem Recht die Götter sie nun vertrieben? Diese Fayé blieben zurück.

Die Rache der Götter war fürchterlich. Sie schlugen die Rebellen mit einem Fluch. Dadurch wandelten sich die Fayé zu finsteren Kreaturen, die einen nicht enden wollenden Schmerz in sich fühlen. Aus diesem Schmerz erwächst ein Hass, der sich auf alle erstreckt, die nicht ihr Schicksal teilen.

Fayé sind hochgewachsen, schlank und von einer fremdartigen Schönheit. Sie haben spitze Ohren, die sich so weit ziehen, dass sie sich beinahe am Hinterkopf treffen, und Augen, die ihre Verwandtschaft zur Geisterwelt bezeugen, denn Pupille und Iris sucht man in den farbigen Nebeln vergeblich. An jedem Arm haben sie zwei Gelenke, an jeder Hand sechs Finger. Sie altern nicht und können nur durch Gewaltakte sterben. Einzige Ausnahme ist die Leere, eine große Niedergeschlagenheit, die einige Fayé befällt und die oft tödlich endet. Der Erkrankte erkennt keinen Sinn mehr im Leben, bricht den Kontakt zu Freunden und Verwandten ab und geht in den Wald, um dort auf den Tod zu warten.

Was aus den Fayé wurde, die dem Ruf der Götter folgten und die Lichten Gestade erreichten, wissen wir nicht. Doch es gab auch einige, die sich auf den Weg machten und dann von den Göttern für unwürdig befunden wurden. Ja, Ihr habt es erraten. Die Gequälten des Seelennebels, der seit Jahrtausenden unbewegt über dem Meer der Erinnerung liegt und jedem den Wahnsinn bringt, der sich ihm zu sehr naht.

Die menschlichen Völker in Eloy sind vielfältig. Sie reichen von den riesenhaften Barbaren Brons bis zu dem zierlich gebauten, kultivierten Volk, das Eskad bewohnt. Uns Menschen sollte nach dem Willen der Götter die Welt gehören. Aber dazu kam es nicht.

Ja, ich wusste, dass Ihr nach Ihnen fragen würdet, Junge Dame. Die Osadroi, die Schattenherren, sind aus den Menschen hervorgegangen. Von ihnen steht nichts in den Schriften der Götter. Niemand weiß genau, wie sie entstanden sind, aber die meisten Gelehrten vermuten, dass ein vermessener Mensch etwas entdeckte, das nicht für ihn bestimmt war. Andere munkeln vom Einfluss unaussprechlicher Wesenheiten, die aus der kalten Schwärze zwischen den Sternen herabstiegen. Auch eine widernatürliche Verbindung zwischen Menschen und Fayé könnte am Beginn der Osadroi stehen, da sie Eigenschaften beider Spezies aufweisen.

Nach allem, was wir wissen, können Menschen mittels eines langwierigen und sehr blutigen Rituals in Osadroi umgewandelt werden. Dabei stirbt der Mensch zunächst, um dann zu einem untoten Nachleben zu erwachen. Von diesem Zeitpunkt an altert er nicht mehr. Der verwandelte Körper erscheint blass und fühlt sich kalt an. Viele Osadroi haben eine morbide, erotische Ausstrahlung, vor der Ihr Euch hüten müsst! Sie nutzen sie, um Eure Gefühle zu wecken und nach Eurem Leben zu greifen. Manche Menschen verfallen einem Schattenherrn auf ewig. Seid nicht zu sicher, dass jede Nebelschwade, die nächtens durch die Luft treibt, nur harmlose Feuchtigkeit ist. Ich glaube, manchmal ist es die Lebenskraft eines Unglücklichen auf dem Weg zu einem fernen Meister.

Die Osadroi sind beinahe unüberwindliche Gegner. An ihnen vergeht eine Schwertwunde rascher als bei Euch ein Kratzer. Nur mit Silber geschlagene Verletzungen können sie nicht ausheilen, weswegen die Paladine der Mondschwerter aus Ilyjia für ihre Waffen dieses Metall verwenden, nachdem sie es mit dem Segen der Mondmutter härten.

Je älter ein Osadro wird, umso mehr unnatürliche Kräfte entwickelt er. Es ist im Einzelfall schwer zu unterscheiden, ob der Ursprung dieser Fähigkeiten in der Unnatur des gewandelten Körpers oder in angeeigneten magischen Fertigkeiten zu suchen ist, zumal auch diese Kräfte in ihrer Stärke den Mondzyklen unterworfen sind.

Ich sehe die Neugier in Euren Augen, Junge Dame, und ich bitte Euch: Bezähmt sie! Strebt nicht danach, einem Schattenherrn zu begegnen. Schätzt Euch glücklich, wenn Ihr eines fernen Tages auf einem Sterbelager sagen könnt, Euer Auge sei niemals durch den Anblick eines von allen Göttern Verfluchten in Versuchung geführt worden.


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