Epistula Corvi I
Liebe Leserinnen und Leser,
viele Menschen fühlen sich in einem Flugzeug unsicherer als in einem Auto, obwohl die Unfallstatistik sie beruhigen sollte. Es ist wesentlich wahrscheinlicher, auf der Autobahn zu Schaden zu kommen, als in der Luft. Aber wer selbst am Steuer sitzt, spürt eine Kontrolle über die Situation. Er kann lenken, beschleunigen, abbremsen. Er versteht, was vor sich geht, und beeinflusst aktiv das Geschehen. Im Flugzeug dagegen muss man dem Piloten und der Crew vertrauen. Wenn etwas passieren würde, hätte man keine Chance, zu reagieren. Da ist dann auch egal, dass aller Wahrscheinlichkeit nach nichts Schlimmes eintreten wird – die Unkalkulierbarkeit beherrscht das Denken. Denjenigen, denen dies zu einem Leiden wird, zu Flugangst, empfiehlt man, sich möglichst umfassend über die Technik der Fliegerei zu informieren. So kann man die verschiedenen Bordgeräusche den Ereignissen zuordnen, die sie hervorrufen – dem Einziehen des Fahrwerks, dem Vorbeiströmen der Luft. Wissen ist eine Form von Kontrolle, und das Gefühl von Kontrolle schafft die Empfindung von Sicherheit.
Ich kenne dieses Gefühl auch beim Schreiben. Je länger ich dieses Handwerk ausübe, desto gründlicher plane ich meine Geschichten. Ich erstelle Szenenpläne und Steckbriefe für meine Figuren, ich lese Schreibratgeber und versuche, aus ihnen neue Blickwinkel auf meine Arbeit zu gewinnen. Und auch, wenn ich Romane lese, suche ich nach den Drähten, die die Maschinerie bewegen. Dadurch geht ein Teil des Lesegenusses verloren, die Illusion wird an einigen Stellen fadenscheinig – ein Preis, den man als Autor zahlt.
Wegen dieser Entwicklung ist nur folgerichtig, dass Drachenmahr mein bisher am gründlichsten geplanter Roman ist. Die Grundidee entwickelte ich gemeinsam mit meiner Lektorin auf einer Buchmesse. Danach gab es ein Exposé. Nein, eigentlich gab es zwei Exposés, eines mit eher optimistischer Stimmung, das andere in der dunklen Atmosphäre, die Sie eher von mir gewohnt sind. Das erste Exposé durchlief mehrere Fassungen, bis ich es komplett verwarf. Zu beiden gab es Szenenpläne, von denen nun nur noch der dunklere weiterverfolgt wird. Da Drachenmahr zunächst hinter dringlicheren Projekten zurückstehen musste, ruhte auch der Szenenplan – allerdings in einer vollständigen Fassung. Das bedeutet, dass diese Szenen bereits eine Geschichte mit Anfang, Mittelteil und Schluss erzählten. Der Plan hätte als Richtschnur für einen Roman dienen können.
Im Dezember nahm ich ihn mir nochmals vor. Direkter ausgedrückt: Ich schlachtete ihn aus und verwarf den Großteil, um einen neuen Szenenplan aufzustellen, der die Stimmung der Geschichte noch besser ausdrückt. Dieser Szenenplan ist nun Grundlage für den Rohentwurf, das eigentliche Manuskript.
Und hier kommen wir wieder zum Flugpassagier, denn letztlich ist das Schreiben eines Romans immer eine Reise in ein unbekanntes Land, und Kontrolle ist eine Illusion. Schlimmer noch: Man sieht weder Pilot noch Crew oder Flugzeug, das Unterbewusstsein sitzt am Steuer. Bei Drachenmahr trifft das in besonderer Weise zu, weil er in einer neuen Fantasywelt spielt. Sogar – so viel möchte ich schon verraten – nur in einer einzigen Stadt, beherrscht von einem Drachen, der in ihrer Kathedrale angekettet ist. Wie es sich anfühlt, durch die Gassen dieser Stadt zu gehen, wie die Bewohner dort miteinander umgehen, wie der Odem des Drachen schmeckt und wie sich die Träume meiner Hauptfigur in Hass verwandeln – also eigentlich alles, was die Geschichte ausmacht –, das ergibt sich erst beim Schreiben. Inzwischen habe ich etwa 125 Manuskriptseiten gefüllt. Jetzt kenne ich mich in der Stadt des Drachen aus. Ich fühle mich sicher. Wieder ist ein fremdes Land – zumindest für eine gewisse Zeit – zu meinem Zuhause geworden.
Was war
Als Autor bin ich Freiberufler. Das bedeutet einerseits, dass ich mir aussuchen kann, wann, wie lange und an was ich arbeite. Es heißt aber auch, dass ich immer ein Auge auf mein Auftragsbuch haben muss, denn mein Vermieter hat ja auch immer ein Auge auf den pünktlichen Eingang der ihm zustehenden Zahlungen. Mitte des Jahres 2014 zeichnete sich ab, dass ich einen lukrativen Vertrag bekommen könnte, noch dazu für eine Geschichte in einer Fantasywelt, die ich bereits gut kenne. Bernhard Hennen, der das Fantasy-Rollenspiel »Das Schwarze Auge« wesentlich beeinflusst hat, möchte seine erfolgreichste Kampagne, die Phileasson-Saga, als Romanreihe adaptieren und suchte dafür einen Partner. Wir beschnupperten uns ein wenig, denn schließlich muss die viel zitierte Chemie bei einem gemeinsamen Buchprojekt stimmen, und kamen überein, die Umsegelung Aventuriens zusammen anzugehen. Denn darum geht es inhaltlich: Zwei Kapitäne liefern sich ein Wettrennen um den Kontinent. Zumindest denken sie das, denn von den Kräften, die ihr Schicksal aus dem Verborgenen beeinflussen, ahnen sie nichts. Bernhard Hennen und ich haben die Handlungsstränge aufgeteilt, uns ein paar Mal getroffen und ich habe meine Rohentwürfe zu den ersten beiden Bänden geschrieben. Nun warte ich gespannt darauf, dass wir unsere Manuskriptteile zusammenführen können.
Dieses Großprojekt hatte zur Folge, dass ich mir ausgiebige Gedanken um mein Portfolio gemacht habe, also darum, was ich in den nächsten Jahren machen möchte. Das Gute muss dem (für mich) Besseren weichen. Diese Maxime hat mit Wucht zugeschlagen.
Deswegen plane ich derzeit keine weiteren Projekte mit dem Ulisses-Verlag, obwohl ich mit dem Team gern zusammenarbeite. Leider reicht die kommerzielle Verbreitung der dort laufenden Battletech- und DSA-Reihen aber nicht aus, als dass ich es momentan rational rechtfertigen könnte, mich dort zulasten meiner anderen Möglichkeiten zu engagieren. Das muss nicht immer so bleiben, vielleicht kommen mal wieder Lücken, aber für den Moment ist in diesem Bereich nichts von mir zu erwarten. Bei DSA war es ja schon eine Weile ruhiger um mich, und mit der Phileasson-Saga werde ich dort jetzt an anderer Stelle aktiv. Bei BattleTech habe ich mit Gier die Andurienkriege-Reihe zu einer Trilogie ausgebaut, sodass zumindest der Beginn des Konflikts ausreichend beleuchtet ist.
Die gleiche Überlegung veranlasst mich zu einer Pause bei PERRY RHODAN. Auch dort kann ich im Moment nicht schreiberisch tätig sein, NEO 77: Eine Falle für Rhodan war mein vorerst letzter Beitrag. Als Leser bleibe ich der Serie jedoch treu und nutze die Möglichkeit, einige Lücken zu verkleinern, die ich zwischen den Taschenheften 10 und 30 noch habe. Das gilt übrigens auch für DSA und BattleTech; gerade bei DSA sind die Romane meiner Kolleginnen und Kollegen ja nun wieder Recherchematerial für mich, wenn dort Motive vorkommen, die auch bei PHILEASSON eine Rolle spielen.
Meinen Werkzeugkasten habe ich ein wenig umgestellt. Statt des (kostenlosen) LibreOffice verwende ich nun das (kostenpflichtige) Papyrus Autor. Man bekommt Wortwiederholungen und Bandwurmsätze angezeigt, die Duden-Rechtschreibprüfung ist treffsicher und die Figurendatenbank gefällt mir auch. Zum Konzipieren bleibe ich allerdings bei meinem yWriter, an den ich mich gewöhnt habe. Dieses kostenfreie Programm wird übrigens von dem australischen SF-Autor Simon Haynes entwickelt.
Zwischen dem Schreiben bastele ich gern an meinen beiden Homepages für Bernard Craw und Robert Corvus herum. Gerade bei Letzterer war eine Umstellung geboten, weil das Menü der Webpräsenz keine Erweiterung um die in 2015 erscheinenden Titel erlaubte. Da ich alles per Hand mit HTML, CSS, PHP und mySQL zusammenklöppele, dauern solche Änderungen ihre Zeit, aber jetzt sehen die Seiten so aus, wie ich sie haben möchte. Jedenfalls für den Moment.
Was ist
Im Sommer 2012 stieg ich aus meinem Hauptberuf als Projektleiter bei einem internationalen Konzern aus – ein goldener Handschlag machte es möglich. Nach einigem Überlegen und Kalkulieren bin ich nun seit 2013 hauptberuflich Schriftsteller, jetzt also schon zwei Jahre. Das Handwerk und die Branche kannte ich bereits aus nebenberuflicher Tätigkeit. Nun sind noch Erfahrungen im Administrativen dazugekommen, etwa, was die Versicherung über die Künstlersozialkasse angeht. Wie erhofft (und nicht unbedingt erwartet) kann ich »vom Schreiben leben«. Ich kann meine Ersparnisse schonen, ein wenig für meine Altersvorsorge tun und meine Rechnungen bezahlen. Für einen Schriftsteller ist das viel, und mir reicht es. Das Wichtigste: Ich bin zufriedener als vorher, weil ich bei allem, was ich tue, weiß, wozu es gut ist. Vereinfacht gesagt: Ich arbeite für mich selbst. Zudem tue ich das, was ich ohnehin tun würde, nämlich schreiben, und zwar die Art Geschichten, die ich auch gern lese. Nach zwei Jahren kann ich daher sagen, dass es für mich die richtige Entscheidung war.
Derzeit dreht sich meine Arbeit um die Phileasson-Saga und um die Projekte, die ich beim Piper-Verlag realisieren darf. Aktuell ist das Drachenmahr, für das wirklich schöne Ankündigungen gemacht werden. Prinzipiell ist die Idee, dass ich in jedem Halbjahresprogramm einen Titel unterbringe. Natürlich hängt das von diversen Faktoren ab, wie der Qualität meiner Ideen und der Frage, wie sich der Fantasymarkt entwickelt, aber die Absicht ist von beiden Seiten da. Es sieht also so aus, dass man mit einiger Regelmäßigkeit neue Romane von mir erwarten darf.
In diesen Tagen geht Grauwacht in Druck, sodass es Mitte Januar erscheinen kann. Auf meiner Homepage kann man sich eine elektronische Leseprobe anschauen, mit der man herausfinden kann, ob sich die Geschichte interessant anlässt. Im Zentrum steht ein Rätsel: Aus unerklärlichen Gründen nehmen die Monde, wenn sie untergehen, eine blaue Färbung an. Bei den Sasseks – einem amphibischen Volk, das den Tag beherrscht, während die Menschen in immerwährender Nacht leben – ist ausgerechnet diese Farbe verflucht. Kann das ein Zufall sein? Remon, ein abtrünniger Guardista der titelgebenden Grauwacht, und seine Frau Nata, Tochter eines Sternenguckers, wollen das herausfinden. Dabei gehen sie sehr unterschiedliche Wege.
Zur Ausstattung von Grauwacht gehört eine Weltkarte von Timo Kümmel, der schon die Zeichnung des Regenbogenpalasts in Schattenkult beigesteuert hat. Auf dieser Karte sind einige Informationen enthalten, die man sicher erst wird deuten können, wenn man die Lektüre des Romans beinahe vollständig beendet hat. In der elektronischen Version wird die Karte sogar farbig sein.
Ich bin ein großer Freund von Leserunden. Dabei wird ein Buch in Abschnitte eingeteilt, und die Leute schreiben ihre Eindrücke zu diesen Abschnitten in ein Internetforum. So kann darüber spekuliert und diskutiert werden, woran ich mich als Autor gern beteilige. Bei dieser Gelegenheit kann ich sehen, ob die Geschichte so wirkt, wie ich es erwartet habe. Auch zu Grauwacht wird es eine solche Leserunde geben, und wer sich bis zum 16. Januar 2015 anmeldet, kann sogar ein Freiexemplar gewinnen.
Neben dem Basteln an meinen Homepages drehe ich auch ab und zu kurze Videos rund um mein Schriftstellerleben. Als Robert Corvus führe ich inzwischen eine Art »Wochenbuch« (oder wie nennt mein ein wöchentlich erscheinendes Periodikum?) unter dem Titel »Schreibzeichen«.
Bei Bernard Craw dagegen scheinen vor allem Leute zuzuschauen, die selbst gern schreiben. Entsprechend stößt mein Video mit »7 Tipps zum Nebenberuf Schriftsteller« auf freundliches Interesse.
Wer lieber ein gedrucktes Interview mit mir lesen möchte, dem kann ich die im Januar erscheinende Ausgabe 57 des Magazins »Phantastisch!« empfehlen. Ich selbst habe diese Zeitschrift im Abo, weil ich den Mix von Artikeln, Rezensionen und Interviews für sehr lesenswert halte.
Was wird
Die erwähnte Romanadaption der Phileasson-Saga hat eine gewisse Vorlaufzeit, sodass erst 2016 mit einer Veröffentlichung zu rechnen ist. Dann allerdings sollen die Bücher – so die vorläufige Planung – in schneller Taktung erscheinen, mehrere pro Halbjahr. Wir hoffen, dass wir eine schöne Gestaltung bieten können, und arbeiten dazu mit dem Ulisses-Verlag zusammen, der uns auch bei der Recherche tatkräftig unterstützt.
Drachenmahr wird im Juli 2015 erscheinen. Ich freue mich auf die intensive Arbeit mit dem Lektorat, die im Frühjahr beginnen wird. Bis dahin sind aber noch etwa 300 Manuskriptseiten zu schreiben und zu überarbeiten, damit ich das Manuskript mit gutem Gefühl einreichen kann.
Am Horizont dämmern die nächsten Projekte herauf, die ich bei Piper-Fantasy realisieren darf. Sicher ist bereits, dass es wieder in eine neue Welt geht. Derzeit sieht es danach aus, dass ein Mehrteiler den Zuschlag erhalten wird. Damit würde ich zur Military Fantasy zurückkehren. Wenn Sie den Isenborn-Zyklus kennen, den ich als Bernard Craw im Rahmen von Das Schwarze Auge veröffentlicht habe, wissen Sie, in welche Richtung es gehen soll.
Des Weiteren scheint die Stimmung für Science-Fiction – auch über PERRY RHODAN hinaus – besser zu werden. Jedenfalls, wenn ich meinen Sensoren im Buchmarkt trauen kann. Da ich dieses Genre sehr mag, in der Vergangenheit aber kaum Möglichkeiten zur Publikation gefunden habe, könnte sich mein »Ideenstau« perspektivisch auflösen.
Ob ich auch wieder in den PERRY-RHODAN-Kosmos zurückkehren kann, ist derzeit noch offen. Im Wesentlichen hängt das von meiner Auslastung ab: Ich kann nur so viele Manuskripte schreiben, wie ich ohne Qualitätseinbuße zeitlich und von der kreativen Energie her schaffe. An der Lust liegt es jedenfalls nicht. Ich hätte große Freude daran, bei weiteren Abenteuern des Erben des Universums den Chronisten zu geben.
Bald könnte ein kurzer Artikel von mir erscheinen, der sich mit den Möglichkeiten und Implikationen interstellarer Reisen in der Science-Fiction beschäftigt. Er ist allerdings noch nicht ganz so weit, dass ich ihn anbieten könnte, deswegen kann es erst Mitte 2015 so weit sein.
Meine Homepages bleiben eine Freude für mich als Internet-Bastler. Es gibt ein paar Ideen, die ich schon lange mit mir herumtrage. Ob ich sie realisieren kann, ist letztlich eine Zeitfrage. So würde ich gern eine Rubrik mit Artikeln und Interviews entwickeln, wobei die Interviews eher so etwas wie »Kamingespräche« mit Leuten aus der Branche sein sollen, die ich aus persönlicher Zusammenarbeit kenne. Und dann würde ich gern noch eine Vorgeschichte zu Schattenkult in einem Format anbieten, das die Möglichkeiten des Internets in einer besonderen Art nutzt. Dazu müsste ich aber auch meine technischen Fähigkeiten erweitern.
Vor allem (aber nicht nur) weil dies die erste Ausgabe meines Newsletters ist, freue ich mich sehr auf Rückmeldungen. Schließlich möchte ich dieses Format so entwickeln, dass es in Zukunft noch interessanter für Sie wird.
Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein frohes 2015!
Robert Corvus – Bernard Craw