Epistula Corvi XXXII
Liebe Leserinnen und Leser,
gesellschaftlich bricht derzeit vieles auf, was vorher bereits angelegt war. Ich habe den Eindruck, dass man momentan leider eher auseinanderdriftet als zusammenfindet. Was die richtige Strategie bezüglich der Corona-Schutzmaßnahmen angeht, werden die Positionen in meinem Umfeld extremer und unversöhnlicher. Aber die Grundkonflikte, die unterschiedlichen Weltsichten und Menschenbilder, die hinter den Einstellungen stehen, waren vorher schon vorhanden – nur waren sie nicht so wichtig, weil die Umsetzung in konkrete Handlungen selten eine Rolle spielte.
Mit Kirk Hammett teile ich die Hoffnung, dass die Kultur das Potenzial hat, Menschen zusammenzuführen. Auch und gerade dann, wenn sie sonst Schwierigkeiten haben, zueinanderzufinden. Aus diesem Grund legt der Gitarrist von Metallica – obwohl er sich persönlich immer wieder politisch äußert – großen Wert darauf, dass seine Band inklusiv bleibt und niemanden abweist. Auf der Bühne gibt es kein »Wir versus Die«, es gilt die bewährte Devise »no politics, no religion«, es gibt nur die Musik. Vielleicht kann sie für die Dauer eines Konzerts auch die Linien im Sand verwischen, die durch das Publikum verlaufen. Und das gemeinsame Erlebnis mag dazu führen, dass zuvor Unversöhnliche ihre Gemeinsamkeiten neu sehen. Eine notwendige Basis für gemeinsame Problemlösungen und überhaupt ein zivilisiertes Zusammenleben.
Gerade jetzt sind aber Kulturveranstaltungen, die derlei leisten könnten, selten. Vielleicht ist auch das ein Grund für das Auseinandertreiben, das ich beobachte.
Die Veranstalter von Conventions und Messen suchen jedoch alternative Wege, um gemeinsame Erlebnisse zu ermöglichen. Viele entwickeln virtuelle Konzepte auf Plattformen wie Discord, Twitch oder Zoom. Die Erfahrungen, die man dabei sammelt, mögen auch für die Zeit nach der Pandemie nützlich sein. Die Möglichkeiten werden ausgelotet, und Gutes wird man beibehalten. Obwohl ich selbst die persönliche Begegnung bevorzuge, sehe ich, dass die virtuellen Formate Personengruppen eine Partizipation ermöglichen, denen das zuvor nicht möglich war. Sei es, weil sie körperlich oder psychisch nicht in der Lage sind, sich im Gedränge einer Fanveranstaltung zu bewegen, sei es, weil ein weiter Anreiseweg einer Teilnahme entgegensteht.
Manche Veranstalter versuchen auch, selbstverständlich unter Beachtung der aktuellen Hygieneauflagen, physische Begegnungen wieder möglich zu machen. Auch davon wird in diesem Newsletter die Rede sein.
Was war
Ich war auf Burg Linn in Krefeld zu Gast, um im Rahmen der Veranstaltungsreihe Phantastische Nacht eine Lesung aus Gezeiten der Macht anzubieten. Durch Sitzordnung und Regelungen zum Maskentragen wurden die Auflagen der Gesundheitsämter umgesetzt. Dem Live-Feeling tat das keinen Abbruch, es war ein sehr schöner Abend.
Die Reihe Phantastische Nacht wird von Bernhard Hennen moderiert, weswegen sich alle Termine auch in der Terminliste auf phileasson.de finden.
Die traditionsreiche FeenCon und die Hausconvention des Ulisses-Verlags, die eigentlich in Limburg stattfindet, setzten dieses Jahr dagegen auf die Onlineplattformen Discord und Twitch. Wir konnten mit den Fans chatten und sogar unser »Glasmurmel-Abstimmungsspiel« simulieren. Die Lesungen haben wir – da sie ohnehin gestreamt wurden – im Vorfeld aufgezeichnet. Das hat den Vorteil, dass man sie nun auf unserem Phileasson-YouTube-Kanal anschauen kann bzw. demnächst wird anschauen können.
Die Arbeit an den Exposés, die mein Agent derzeit anbietet, ist nun abgeschlossen. Science-Fiction ist dabei, aber auch Geschichten, die nicht zur Fantastik zählen. Mal schauen, was sich in Zeiten, in denen Verlage ihre Programme strecken, realisieren lässt.
Was ist
Mit Schattenkult, Drachenmahr und Grauwacht umfasst meine Collection Corvus nun drei Bände. Damit bin ich vorerst zufrieden. Die wertigen Hardcover sehen im Regal sehr schön aus und die Fans sind glücklich. Ich habe die Bereiche zu den Romanen auf robertcorvus.net aktualisiert, sodass man dort auch die sehr gelungenen Illustrationen von Katharina Niko anschauen kann. Bei einer solchen Ausgabe ist verständlicherweise das Interesse an einem signierten Exemplar besonders groß. In meinem Shop auf robertcorvus.net kann man eine entsprechende Bestellung aufgeben.
Der dritte Deluxe-Band zur Phileasson-Saga, Schlangenzähne, ist nun fertig. Vergangenen Freitag sind die Bücher bei Ulisses in Waldems eingetroffen, am Mittwoch haben Bernhard Hennen und ich sie signiert, und inzwischen posten Fans schon die ersten Fotos von den Exemplaren, die sie erhalten haben.
Derzeit lese ich mehr als ich schreibe, aber manchmal hängt beides zusammen. So habe ich diese Woche der Anfrage einer Lektorin entsprochen, ein unveröffentlichtes Manuskript zu lesen, um bei Gefallen dazu ein »Quote« zu verfassen. Dabei handelt es sich um ein empfehlendes Zitat, das auf dem Backcover zu lesen sein wird. Ich selbst hatte so etwas bei Drachenmahr (von Bernhard Hennen) und bei Feuer der Leere (von Klaus N. Frick). Wichtig ist dabei das »bei Gefallen«. Ich bekomme das Manuskript zwar vorab, bin dadurch aber zu nichts verpflichtet. Wenn es nicht mein Ding ist, steuere ich auch kein Quote bei.
In diesem Fall hat es mir aber gefallen, was mich auch nicht wundert, weil die Lektorin mich kennt und weiß, was ich selbst schreibe. Sie kann meinen Geschmack also einschätzen. Ich habe das Manuskript mit Vergnügen gelesen und freue mich, dass das Buch des Kollegen 2021 erscheinen wird. Gute Bücher gibt es nie genug.
Drei Besprechungen zu Gewinnerromenen des Kurd Laßwitz Preises sind seit der letzten Epistula Corvi hinzugekommen:
Stimmen der Nacht von Thomas Ziegler ist ein Meisterwerk. Und es ist zeitlos. Diese Geschichte hat zunächst als Erzählung gewonnen, zehn Jahre später (1994) in der erweiterten Romanfassung, und auch heute noch lässt sie sich gut lesen.
Das zerrissene Land von Hans Joachim Alpers gewann 1995 und führt die Leserschaft in die »Sechste Welt« von Shadowrun, die primär durch das Rollenspiel bekanntgeworden ist.
Außerhalb der Chronologie habe ich PERRY RHODAN – Das größte Abenteuer von Andreas Eschbach besprochen. Dieser Roman ist der aktuelle Preisträger des Jahres 2020.
Was wird
In meinem Terminplan stehen für August und September zwei Veranstaltungen, die physisch stattfinden sollen (die vorsichtige Formulierung wähle ich, weil die Pandemie jederzeit einen Strich durch die Planungen der Veranstalter machen kann).
Zunächst findet vom 21. – 23. August der NiederrheinCon in Wesel statt. Dabei wollen Bernhard Hennen und ich zum Programm beitragen und auch einen Präsentationsstand machen. Dort wird es eine der aus Supermärkten bekannten durchsichtigen Barrieren geben, aber ansonsten werden wir Gespräche führen, Autogramme geben und – mit dem gebotenen Abstand – auch Selfies mit uns machen lassen können.
Auf dem ElsterCon in Leipzig vom 18. – 20. September möchte ich einige Programmpunkte anbieten, unter anderem einen Vortrag über die Gewinnerromane des Kurd-Laßwitz-Preises bis 1999 (dazu werde ich die mir noch fehlenden lesen und auch in meinem Videokanal besprechen).
Weitere (meist Online-)Termine sind auf meiner Webseite zu finden.
Nicht nur befindet sich Schlangenzähne nun im Versand. Der August wird auch zwei Neuveröffentlichungen der Phileasson-Saga sehen. Am 10. August 2020 wird Die Phileasson-Saga IX: Echsengötter erscheinen, der bisher längste Roman der Reihe. Beorn wird weiterhin die verzauberte Welt der Elfeninseln erkunden, während Phileassons Ottajasko »unter die Echsen fällt«. War Elfenkrieg nach den Ereignissen des Beornstrangs betitelt, legt Echsengötter den Fokus auf die Erlebnisse des Foggwulfs. Dieses Abenteuer war von Beginn an mein Favorit in der Saga, und ich hoffe, dass sich meine Begeisterung für die exotische Kultur der Geschuppten auf die Leserschaft überträgt.
Etwa eine Woche später wird die Anthologie Wir sind die Bunten im Acabus-Verlag herauskommen. Der Name ist Programm, es handelt sich um eine vielfältige Mischung unterschiedlichster Geschichten. Unser Beitrag ist die Kurzgeschichte Der Duft der Wahrheit, in der wir eine Hauptfigur der Phileasson-Saga in Jugendtagen schildern.
Oft werden wir nach einer Hörbuchadaption der Phileasson-Saga gefragt. Bernhard war dabei immer etwas optimistischer als ich, aber inzwischen geselle ich mich zu ihm. Wir haben einen entsprechenden Vertrag unterschrieben, und offenbar möchte man die Romane als ungekürzte Lesungen flott umsetzen. Ich wäre nicht überrascht, wenn noch 2020 die Phileasson-Fans unter dem Weihnachtsbaum einer professionellen Lesung von Nordwärts lauschen würden.
Das ist ein friedliches Bild, und in diesen zerrissenen Zeiten mag das Friedenstiften eine der wichtigsten Aufgaben der Kultur sein. Die Pandemie greift unser aller Nervenkostüm an. Wenn wir in Momenten der Wut erst einmal zu einem Buch greifen und die Situation abkühlen lassen, statt direkt aufeinander loszugehen … dann wurde dieses Buch nicht sinnlos geschrieben.
Robert Corvus – Bernard Craw