Epistula Corvi IL
Liebe Leserinnen und Leser,
wann begann die große Abenteuerfahrt der Phileasson-Saga?
In der Welt der Fantasygeschichte ist das leicht zu beantworten: als die Oberste Hetfrau Garhelt den größten Entdecker und den größten Plünderfahrer ihrer Generation aussandte, sich zwölf heldenhaften Aufgaben zu stellen, um den Titel König der Meere zu erringen.
Was unsere Welt angeht, kann eine Antwort das Jahr 1990 sein, als die Kampagne für das Rollenspiel Das schwarze Auge erschien. Oder die Jahre davor, in denen Bernhard Hennen diese Abenteuer verfasste. Oder 2016, als mit Nordwärts die Erfolgsgeschichte der Romanadaption im Buchhandel begann.
Für mich ist 2014 die treffendste Antwort, denn in diesem Jahr kam es zum Handschlag von Bernhard Hennen und mir: Wir sahen uns in die Augen und versprachen uns, dieses Riesenprojekt gemeinsam nicht nur anzugehen, sondern durchzuziehen.
Ein Versprechen, an das wir uns wechselseitig ab und zu erinnern mussten, denn die Reise war lang. Nicht nur in Jahren, sondern auch in Seiten gemessen; planten wir zu Beginn mit 400 Seiten pro Band, also knapp 5000 für die gesamte Serie (Normseiten, wohlgemerkt – Druckseiten wären es weniger gewesen), so mussten wir bald einsehen, dass diese Grenze Makulatur war. Gar nicht so selten kamen wir auf das Doppelte, bei Nebelinseln auf das Zweieinhalbfache.
Ulisses hat uns auf dem gesamten Weg unterstützt, mit grafischem Material, Recherchequellen und Fact-Checkern. Es gibt dort auch flankierende Produkte, wie die Deluxe-Ausgabe mit eigens dafür angefertigten Illustrationen, oder Asleif Phileasson als Figur aus dem 3D-Drucker.
Heyne war von Beginn an optimistisch, aber nicht leichtsinnig: Die Verträge wurden immer für drei Romane geschlossen. Insgesamt wurden also viermal Verträge unterzeichnet.
Es hat sich gelohnt: Die Serie hat ihre Leserschaft gewonnen, der Thorwalerchor hat in vielen Häfen seine Hymnen geschmettert. Sieben der bisher elf erschienenen Romane haben es auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Wie oft ich einen Phileasson-Roman signiert habe, kann ich noch nicht einmal valide schätzen.
So, wie die Saga für mich begann, bevor der erste Band im Buchhandel stand, so endet sie nun auch, bevor der letzte gedruckt ist. Die Arbeit an König der Meere ist abgeschlossen, Bernhard und ich haben die Umbruchfahne durchgeschaut und unsere Änderungswünsche an den Verlag geschickt – der letzte Arbeitsschritt ist getan. Sicher, es wird ein besonderer Moment sein, wenn die Belegexemplare ankommen werden. Herbst und Winter werden auch noch einige Phileasson-Lesungen sehen. Aber das sind Wellen, die am Strand auslaufen.
Im Zentrum von allem, was wir Schriftsteller tun, stehen unsere Geschichten. Die Geschichte von Foggwulf und Blender ist nun erzählt. Wir haben ein Ende gefunden, mit dem wir zufrieden sind. Eines, das und ermöglicht, unsere Figuren loszulassen und Aventurien und den Elfeninseln lächelnd den Rücken zu kehren. Wir haben dort viel Zeit verbracht, und es war eine gute Zeit. Hoffentlich werden unsere Leserinnen und Leser das ebenso empfinden, wenn sie mit König der Meere den Abschluss der Phileasson-Saga gelesen haben werden.
Nun bricht die Zeit für Neues an.
Was war
Vier Monate sind ins Land gegangen seit der letzten Epistula Corvi, und das ist zu lange, um alles im Detail zu beleuchten, was sich in dieser Zeit getan hat.
Summarisch betrachtet war ich viel unterwegs. Vermutlich zum letzten Mal hat sich der Säckel geöffnet, mit dem Kulturförderprogramme die Härten aus der Coronazeit abfedern sollten. Ergo war wieder Geld für Lesungshonorare vorhanden, und ich konnte einige Einladungen wahrnehmen.
Besonders groß und vielfältig war das erste Kölner Fantasy-Lesefestival, für dessen Organisation vor allem Charlotte Zeiler und Egbert Kapischke Dank gebührt. Ich habe bei dieser Gelegenheit die Kolbhalle kennengelernt, eine Künstlerkolonie in Köln. Ein bleibender Eindruck von einer sehr entschlossenen Art, als Künstler zu leben.
Dem folgte eine kleine Tour von Phileasson-Lesungen in den Stadtbibliotheken von Langenfeld, Siegen und Herne. Dabei fiel mir auf, wie vielfältig das Bibliotheksangebot heutzutage ist. Es geht weit über die Ausleihe von Büchern hinaus – mancherorts kann man sogar 3D-Drucker nutzen.
Auf der Fantasy Basel und der FedCon gab es massive Auftritte von PERRY RHODAN. Große, von innen beleuchtete Aluminiumrahmen setzten Titelbilder aus der Serie so eindrücklich in Szene, dass auch die australische Schauspielerin Gigi Edgley sie als Fotohintergrund wählte. Wir hielten Vorträge und veranstalteten Panels, vor allem aber übertraf das Publikumsinteresse an unseren Ständen unsere kühnsten Erwartungen. Ich erinnere mich, dass auf der FedCon zeitweise fünf Podcaster, Autoren und Verlagsmitarbeiter gleichzeitig Dienst taten – und einige Interessierte sich entschieden, später wiederzukommen, weil die Traube so groß war, dass eine lange Wartezeit zu erwarten stand. Am letzten Tag der FedCon haben wir sogar Teile der Deko verkauft, weil die Ware teils vergriffen war.
Ganz anders war naturgemäß das Publikum des GarchingCon zusammengesetzt. Hier trifft sich alle zwei Jahre die RHODAN-Fansezne, die Kenner und Macher. In mehreren parallelen Programmschienen ging es um die größte Science-Fiction-Serie der Welt, aber auch um Themen, die diese eher am Rande betreffen. Ich habe eine Einführung in das PERRY-RHODAN-Sammelkartenspiel genossen und über meisterhaft gebaute Modelle gestaunt. Vor allem war der GarchingCon für mich jedoch ein Treffen mit Kollegen, Kolleginnen und Fans.
Die FeenCon war eine weitere Veranstaltung, die die Erwartung erfüllte – in diesem Fall: ein großer Spieletreff mit literarischem Rahmenprogramm. Wobei sie erfreulicherweise dieses Jahr erheblich gewachsen ist – in räumlicher Ausdehnung, Publikum und Programm.
Auch im virtuellen Raum hat sich einiges getan. So hat Wolfgang Scheidle einen fantastischen Trailer zu meinem Roman Sternenbrücke erstellt:
Ich habe meine Reihe zu den Besprechungen der Kurd-Laßwitz-Gewinnerromane um drei Titel erweitert:
Neongrau schildert ein wunderbar plastisches Hamburg der Zukunft mit Fokus auf die Szene jugendlicher Gamer:
Dschiheads habe ich primär als Liebeserklärung an einen exotischen Planeten gelesen:
Und ein absolutes Highlight ist Pulsarnacht, ein Roman, der für mich die Vorstellung davon, was Science-Fiction zu leisten vermag, erweitert hat:
Was ist
Wo wir bei den Preisen sind: Es gibt Erfreuliches von den Awards der European Science Fiction Society zu berichten, für die ich die deutschen Nominierungen koordiniere. Nach Deutschland gingen in diesem Jahr ein Chrysalis-Award an Aiki Mira und der Hall-of-Fame-Award für »best magazine« an das von Sylvana Freyberg und Uwe Post herausgegebene Future Fiction Magazine. Zudem erhielt auch die Österreicherin Jacqueline Mayerhofer, die den RHODAN-Fans als STELLARIS-Autorin bekannt ist, einen Chrysalis Award. Ich gratuliere!
Beim Schreiben liegt mein Schwerpunkt derzeit(!) stark auf PERRY RHODAN. Ein Doppelband ist fertig:
PERRY RHODAN 3233 Das blaue Phantom wird am 4. August 2023 erscheinen, darauf wird am 11. August Nr. 3234 Cyberflora folgen.
Nach sehr langer Zeit kehre ich für ein kurzes Gastspiel zu PERRY RHODAN-NEO zurück. Mein letzter Beitrag dazu war Nr. 77 Eine Falle für Rhodan; nun habe ich gemeinsam mit Marie Erikson Nr. 311 Stumm geschrieben. Der Anlass ist eine Sonderstaffel, zehn Taschenhefte von 310 – 319 mit dem Thema Aphilie: Diese beschreibt eine Erde, auf der die meisten Menschen unfähig sind, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan will das selbstverständlich ändern …
Der Auftakt dieser Aphilie-Staffel stammt von Kai Hirdt und wird als Nr. 310 mit dem Titel Welt ohne Liebe am 4. August erscheinen, Stumm wird am 18. August folgen.
Lesend habe ich mich wieder an den aktuellen Stand der zur Serie im Autorenteam zirkulierenden Manuskripte vorgearbeitet. Mit gutem Grund, denn ich arbeite bereits am nächsten RHODAN, der im Herbst erscheinen wird.
Zudem habe ich eine Kurzgeschichte verfasst, über die ich (noch) nichts verraten darf – die Herausgeberinnen haben um Stillschweigen gebeten.
Nach wie vor trifft man mich virtuell jeden Donnerstag um 2100 Uhr auf Twitch, wo ich Aktuelles berichte und mich mit den Fans austausche.
Das alles sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Abschluss der Phileasson-Saga natürlicherweise die Frage aufwirft: »was jetzt?«
In den vergangenen Jahren hat diese Serie viel von meiner Kapazität gebunden, die ich nun in andere Dinge stecken kann. Welche das sein werden – das überlege ich derzeit ganz in Ruhe. Okay, na gut, einige Gespräche laufen schon …
Was wird
Meine Vorbereitungen für eine Patreon-Seite schreiten voran. Patreon ist eine Plattform, die eine Art »Schwarm-Mäzenatentum« für Kreative organisiert; auf verschiedenen Leveln kann man sie monatlich finanziell unterstützen (und bekommt dafür Dankeschöns). In den USA wird das unter anderem von HUGO-Gewinnerinnen genutzt, auch in Deutschland wird es zunehmend beliebt. In der Phase unmittelbar nach dem Start möchte ich mich auf die Betreuung meiner ersten Patreons konzentrieren und »die Sache vernünftig ans Laufen bringen«; deswegen warte ich damit noch, bis die Rohfassung des neuen RHODAN-Manuskripts stehen wird. Bis Ende Juli wird es so weit sein, und dann werde ich auch an diesen Newsletter-Verteiler einen Hinweis mit weiteren Erklärungen schicken.
In der Vergangenheit habe ich gute Erfahrungen damit gesammelt, Werke selbst neu aufzulegen, deren Rechte an mich zurückgefallen sind. Dennoch möchte ich mit einer Fantasytrilogie, die ursprünglich bei Piper erschienen ist, einen neuen Weg ausprobieren, und diese bei einem engagierten Kleinverlag neu herausbringen. Dafür steht eine Überarbeitung an, die ich im August vornehmen möchte.
Im August gibt es auch einige Veranstaltungen. Beim Sci-Fi-Clash werde ich PERRY RHODAN vertreten und die Qualitäten der Serie herausstellen, während Claudia Kern dasselbe für StarTrek tun wird und Constantin Gillies StarWars vertritt. Das Publikum wird dabei nach jeder Runde werten. Wer den »Alien Battle« auf der FedCon gesehen hat, dem wird der Ansatz bekannt vorkommen … Bei dieser Veranstaltung in der Stadtbibliothek Köln wird es allerdings zudem einen Einführungsvortrag zu PERRY RHODAN geben. Sie wird am 10. August um 1900 Uhr stattfinden.
Ulisses, der Spieleverlag, der unter anderem Das schwarze Auge und Dune – Abenteuer im Imperium herausgibt, lädt für den 11. bis 13. August zu seiner Haus-Convention ein, dem RatCon in Limburg. Dort wird man Bernhard Hennen und mich treffen, denn wir haben einen Präsentationstisch und tragen zum Programm bei.
Auf Twitch werde ich nach wie vor jeden Donnerstag (außer am 10. August) um 2100 zu sehen sein. Am 24. August werde ich einen Gast begrüßen: Marie Erikson, die Autorin, mit der gemeinsam ich Stumm geschrieben habe.
Für die Zeit ab September steht neben der Veröffentlichung des letzten Phileasson-Bands das Schreiben eines weiteren RHODAN-Doppelbands an (wobei sich so eine Planung immer ändern kann).
Ulisses hat angekündigt, noch dieses Jahr den fünften Band der Phileasson-Deluxe-Ausgabe herauszubringen, was bedeutet, dass ich die Fahne zur Durchsicht erhalten werde. Bei einem so umfangreichen Werk finde ich auch darin immer noch etwas – obwohl sie ja auf den mehrfach durchgesehenen Texten der Heyne-Ausgabe basiert.
Beim Kurd-Laßwitz-Preis habe ich noch die Besprechung von sechs Gewinner-Romanen offen. Ein paar davon könnte ich dieses Jahr noch schaffen, auch wenn ich bezweifle, dass es alle sein werden; dafür sind einige der Werke zu seitenstark. Aber: Auch bei diesem Projekt ist der Hafen in Sicht.
Was das Schreiben angeht – am Horizont zeichnen sich neue Ufer ab, und das in mehrfacher Hinsicht: inhaltlich, formal …
Wenn Ihr Lust darauf habt, begleitet mich dorthin! Als Leser oder Zuschauerin, künftig vielleicht sogar als Patreon.
In jedem Fall wünsche ich Euch einen schönen Sommer – möglicherweise kann das eine oder andere gute Buch dazu beitragen …
Robert Corvus – Bernard Craw