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PERRY RHODAN

Die Zukunft beginnt von vorn – mit einer neuen Menschheit.

Autorenfoto


Perry Rhodan ist ›mitschuldig‹ an meiner Begeisterung für die Science-Fiction, und irgendwie auch an meinem Weg ins Fandom. Wer wissen möchte, welches sicher nicht weltverändernde, aber meine Sicht auf einige Dinge erweiternde Ereignis sich in den späten Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts zutrug, kann hier etwas über meinen ersten Con lesen.

1990 gelang mir etwas, von dem jeder Fan trämt: Mein Leserbrief erschien in Perry Rhodan Heft 1488: Söhne der Hölle. Ich war noch nicht ganz 18, sozusagen ein junger wilder Rotzlöffel. Und ich wusste: Emotionale Ansprache, steile Thesen und pointierte Formulierungen erhöhen die Veröffentlichungschancen. Ich bitte, das bei der Lektüre zu bedenken.

Liebe auch deine nervigen Kinder

Eine Serie unterscheidet sich von einem Einzelroman unter anderem dadurch, dass man von den Autorenkollegen Dinge erbt, die man im eigenen Roman verwenden darf. Manche fallen auch einfach vom Himmel, vulgo: aus dem Exposé. In der Regel ist das praktisch, denn man kann die Früchte ernten, die mit dem Hirnschmalz anderer gedüngt wurden.

Posimon

Manchmal ist ein Erbe aber unangenehm. Um die schöne Villa zu bekommen, muss man die Sammlung von hässlichen Wackeldackeln mit dazunehmen, die des Erbonkels Liebling war und der man, testamentarisch verfügt, stets einen prominenten Ausstellungsplatz im Eingangsbereich zu garantieren hat.

Ein solch hässlicher Wackeldackel war für mich Posimon, die Kleinpositronik, deren Gestalt an einen metallenen Bandwurm erinnert und deren Klappe jede Rotzgöre als wohlerzogenes Kind dastehen lässt. Wenn man aber ein ganzes Figurenensemble mit solch dankbaren Protagonisten wie dem Jaranoc-Krieger Kerat Tinga oder der taffen Eritrea Kush adoptiert, dann kann man auch den nervigen Posimon nicht einfach irgendwo aussetzen und in den Sonnenuntergang kriechen lassen. Man muss ihn mit dazunehmen.

Also musste ich mich dieser Figur nähern, was mit einigem Haareraufen verbunden war. Schon die Vorstellung einer Positronik, also einer künstlichen Intelligenz, die ständig Sprüche im Grenzgebiet zwischen ›pampig‹ und ›altklug‹ absondert, geht mir auf die Nerven. Warum sollte jemand eine solche Maschine konstruieren? Sollten Maschinen nicht einen Zweck für ihre Erbauer erfüllen?

Gut, andererseits erinnere ich mich an nervige Tamagotchis, die ständig herumfiepen, weil sie »gefüttert« werden müssen und ansonsten krepieren (in meinen Augen eine valide Option für diese digitalen Nervensägen, für die Besitzer aber kaum vorstellbar). Möglich, dass Posimons Konstrukteur ähnliche Bedürfnisse hatte wie japanische Schulmädchen. Oder er hat Posimon für jemanden gebaut, den er nicht leiden konnte.

Ich bin Autor, und als solcher brauche ich eine professionelle Distanz. So wie ein Lehrer die Leistungen aller Schüler objektiv und frei von Sympathiewerten zu beurteilen hat und Eltern allen ihren Kindern gerecht werden müssen, musste ich auch Posimon fair in Szene setzen. Das ist leicht gesagt und schwer getan, wenn man sich bei jeder Szene denkt: Meine Fresse, ist der nervig!

Seltsamerweise ist das Problem manchmal identisch mit der Lösung. Posimon wirkte bei der Lektüre des Manuskripts von ›Stardust‹ 3 auf mich durchaus exotisch und hatte auch das Potenzial, sich nützlich zu machen, vor allem aber war er eben nervig. Das fortzuführen war dann wiederum leicht: Ich versuchte gar nicht erst, Posimon zu entschuldigen oder liebenswert zu machen. Wenn er sich zu Wort meldete, überlegte ich mir: Was wäre das Nervigste, was man in dieser Situation sagen könnte? Und schon war Posimons Dialogzeile fertig.

Das Ergebnis ist eine Kleinpositronik, die nervt. Sie geht mir auf den Geist, sie geht Rhodan auf den Geist, und die Jaroc planen, sie einzuschmelzen. Ob Letzteres gelingt oder nicht, ist wiederum Teil der Geschichte und soll hier nicht verraten werden. Ich habe ihnen jedenfalls die Daumen gedrückt.

Kalt lächelnd gab ich mein Manuskript ab, wissend, dass ich dem blechernen Bandwurm ordentlich eingeschenkt hatte.

Und dann kam die Redaktion und meinte: »Weißt du, Robert, die Figur, die mir in deiner Geschichte am meisten Freude gemacht hat, war Posimon.«

Es dauerte eine Weile, bis ich meine Zähne wieder aus der Tischplatte gezogen hatte.


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